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Abenteuer Albanien

Aktualisiert: 21. Juni

Was machst du bitte in Albanien? Willst du da erstochen werden? Das sind die Kommentare, die ich vor meiner Reise zu hören bekommen habe. Googelt man Albanien, kommt als erster Vorschlag die Frage "Ist Albanien ein gefährliches Land?".


Nach knapp 2 Wochen kann ich sagen: Albanien ist auf jeden Fall noch ein richtiges Abenteuer - gefährlich würde ich es aber nicht nennen. Wandern geht wunderbar in Albanien und Angst, erstochen zu werden, hatte ich eigentlich auch nie.


Normalerweise bin ich ja gerne individuell unterwegs beim Reisen, für Albanien haben Bea und ich allerdings eine Gruppenreise gebucht. Ich freue mich darauf, zur Abwechslung mal eine Woche lang nichts planen zu müssen und einfach nur unseren Guides hinterherzuwatscheln. Von unserem Wanderguide Dodo sind wir auch alle sehr begeistert. Er ist nicht nur top fit, sondern weiß auch viel über Albanien und teilt sein Wissen mit uns. Vor ein paar Wochen hat er tatsächlich Bären in den albanischen Alpen gesichtet – die wir aber leider nicht zu Gesicht bekommen werden.



 

Erster Stop: die Küstenstadt Durres


Aber erstmal von Anfang an. Mit der Fähre bin ich schon einen Tag früher in Durres an der Adria gelandet. Meinen ersten Urlaubstag verbringe ich damit, durch die Stadt zu schlendern und überlege sogar kurz, ob ich laufen gehen soll. Bei um die 35 Grad verwerfe ich das aber schnell wieder. Die Innenstadt von Durres ist eine bunte Mischung: heruntergekommene Ecken neben Hipster-Cafes und schicken Hotels. Nach 2 Cappuccini – die hier fast so gut schmecken wie in Italien – mach ich noch einen kurzen Abstecher an die Strandpromenade mit der Hoffnung, einen schönen Strandabschnitt zu finden. Leider ist die Gegend um Durres ziemlich zugebaut, ein Privatstrand jagt den nächsten und die wenigen nicht-privaten Strände sind komplett mit Liegen zugebaut, die man vermutlich auch bezahlen muss. Ein kurzes Bad im Meer muss dann aber doch drinnen sein und das ist sogar erfrischender als gedacht.


 

Die Reise beginnt: Shkodra

Am nächsten Tag wird es dann ernst: Bea und ich treffen am Flughafen von Tirana unsere Reisegruppe. Im Minibus geht es nach Norden in Richtung Shkodra, wo wir die erste Nacht verbringen werden. Im Bus lernen wir alle Mitreisenden und unsere 3 Guides kennen – drei Albaner und eine Deutsche. Die anderen Abenteurer sind eine bunte Mischung aus Schweizern, Österreichern und Deutschen zwischen 25 und 36. Unterwegs besuche wir die Rozafa Burg. Leider steckt eine traurige Legende hinter dem Namen. Da die Männer zu blöd waren, die Burg so zu bauen, dass sie nicht wieder zusammenfällt, musste eine Frau geopfert werden. Ihr Name: Rozafa. Ihr letzter Wunsch war es, einen Arm, Bein und eine Brust nicht zu opfern, damit ihr Kind etwas zum tätscheln und trinken hat. Der Legende nach gibt es auf der Veste einen Art Brunnen, aus dem die Milch von Rozafa fließt und den Frauen aufsuchen, wenn sie einen Kinderwunsch haben. Unsere Reisegruppe macht allerdings einen großen Bogen um diesen Brunnen.



Shkodra selbst ist geprägt von hippen Cafes und Bars. Bis zur Sperrstunde – in Albanien ist aktuell nur bis 23:00 Musik erlaubt und um 24:00 müssen eigentlich alle daheim sein – ist auch gut was los auf den Straßen von Shkodra.


 

Chaos am Komar See

Von Shkodra geht es am nächsten Morgen weiter in Richtung albanische Alpen, die man am Horizont schon erahnen kann. Der erste Minibus verliert unterwegs erstmal den Auspuff – bringt uns aber trotzdem noch pünktlich zur Fähre an den Komar-See. Dort ist das Gewusel groß – auf einem viel zu kleinen Parkplatz stapeln sich viel zu viele Autos, die auf die verschiedenen kleinen Fähren wollen (jede Fähre kann ca. 10 Autos mitnehmen). Auf der Fähre selbst dann ein ähnliches Bild: viel zu wenig Sitzplätze für zu viele Menschen. Wir bekommen mit viel Glück einen Platz auf dem Deck und ich beobachte dort die Menschen: eine lustige Mischung aus albanischen Familien und Touristen, hauptsächlich aus Deutschland, aber auch aus den USA und Frankreich.



 

Valbona

Nach fast 3 Stunden auf dem See geht es mit dem Bus weiter, bevor wir unsere erste Mini-Wanderung im Valbona-Tal starten. Zwar geht es noch nicht spektakulär auf irgendwelche Pässe hoch, aber trotzdem ist die Natur wunderschön, vor allem als Kontrast zu den ganzen Städten, in denen ich mich die letzte Woche aufgehalten habe. Mehr zu meiner Anreise von München über Bologna und Bari gibt es in diesem Artikel.

Von der Unterkunft im Valbona Tal sind wir alle schwer begeistert: eine gemütliche Hütte mit riesen Garten, inklusive Blumenbeet, Schaukel und Dinner-Hütte. Abends wird mit den Einheimischen getanzt. Mit viel Geduld (und Raki) versuchen sie uns, albanische Volkstänze beizubringen, womit sie aber nicht nur bei mir scheitern.


Am nächsten Morgen starten wir trotz Raki ziemlich fit unsere erste Wanderung zu den verwunschenen Bergen in Montenegro. Langsam und mit vielen Pausen laufen wir durch die morgendliche Hitze. Schon am Vormittag hat es um die 30 Grad und unser Guide ermahnt uns immer wieder, auch ausreichend zu trinken. Oben angekommen stehen wir mit einem Fuß in Albanien, mit dem anderen in Montenegro und genießen den Ausblick auf die Berge.



Bunker und Überwachung pur: Der Kommunismus in Albanien


Während des Kommunismus unter Enver Hoxhas von 1944 bis 1992 wäre das für die meisten Albaner nicht möglich gewesen: die Grenzen waren komplett dicht und wer versucht hat, auszureisen, musste mit der Erschießung rechnen. Albanien war dadurch nicht nur vollkommen von der Außenwelt isoliert, sondern der paranoide Diktator überwachte auch sein Volk aufs kleinste - mit Methoden, die an die DDR erinnern lassen sowie Gulags, in denen Albaner schon wegen den kleinsten Verstößen landen konnten. Dazu ließ er im ganzen Land mehr als 200.000 Bunker bauen, die heute noch an die traurige Geschichte Albaniens erinnern. In Tirana gibt es mehrere Museen, die sich mit dem Überwachungsstaat sowie den Bunkern beschäftigen, die ich sehr empfehlen kann.

 

Theth

Doch zurück zum schöneren Teil der Reise: Vom Valbona Tal aus geht es nach Theth (auch Thethi), einem weiteren Nationalpark. Die Gegend ist noch sehr ursprünglich, Thethi erreicht man aktuell nur über eine Schotterpiste. Allerdings ist der Wandel überall zu spüren: es wird an einer Teerstraße gebaut und auch im Ort jagt ein Bauprojekt das nächste. Ich bin gespannt, wie es hier wohl in 10 Jahren aussehen wird.


Auf der Wanderung vom Valbona Tal über den Valbona-Pass nach Thethi ist auf den Wanderwegen auch deutlich mehr los als in den letzten Tagen. Für den Gipfel, den wir unterwegs mitnehmen, müssen wir sogar kurz anstehen. Die Blicke sind aber auch hier unglaublich schön, trotz der Menschenmassen. Unser Gepäck tragen heute Mulis und keine Autos. Unsere Wanderung ist Teil des 192km langen Fernwanderwegs "Peaks of the Balkans", bei dem man die Bergwelt Albaniens, Montenegros und aus dem Kosovo durchläuft und der schon länger auf meiner Liste steht. Wir sehen viele Individualreisende mit großen Rucksäcken und Zelten und ich würde mich ihnen am liebsten sofort anschließen.



In Thethi sind wir bei einer netten Familie untergebracht, die uns mit superleckerem Essen versorgt und im Garten sogar ein Volleyballnetz stehen hat. Fast die komplette Reisegruppe steht kurz später am Netz und auch die Kinder der umliegenden Familien spielen mit uns eine Runde Volleyball.


Da wir zwei Nächte in Thethi untergebracht sind, können wir eine weitere Wanderungen auf den Peja-Pass starten. Anfangs noch durch den Wald geht es schon kurz später ziemlich steil über Geröllfelder nach oben zu zwei Bergseen. Der Blick: auch hier unbezahlbar, unter anderem bis zum Matterhorn Albaniens, dem Arapi. Auf knapp 2.000m gibt es erstmal ein ausgiebiges Mittagessen, danach dösen alle ein bisschen in der Sonne.


Frau wird Mann wird Frau


In Theth erfahren wir auch von einem interessanten Brauch Nordalbaniens. Gibt es in einer Familie keinen männlichen Nachkommen, ist es durchaus üblich, dass die Tochter diese Rolle übernimmt - und zum Mann wird. Sie übernimmt dann alle Arbeiten, die im Haus und in der Landwirtschaft anfallen, bekommt einen männlichen Namen und wird von der Dorfgemeinschaft von einem auf den anderen Tag als Mann anerkannt. Wer mehr darüber erfahren will, im Buch Hana von Elvira Dones geht es darum, wie eine Frau, die in den albanischen Alpen zum Mann wird, wieder zur Frau wird.


 

Letzte Stop in den albanischen Alpen: Ndrejaj


Ab jetzt stehen vor allem Wasser und Erfrischung auf der Tagesordnung: Wir wandern von Thethi aus zu einem Wasserfall und fast die komplette Reisegruppe (inklusive mir) lässt sich trotz zapfigen Wassertemperaturen nicht von einem Bad abschrecken. Wir wandern weiter und kommen "leider" nochmal an einer Badestelle vorbei, an der wir Pause machen müssen, um uns zu erfrischen. Ich würde am liebsten den ganzen Tag am Ufer chillen und immer mal wieder in den Fluss hüpfen, aber leider will die Gruppe irgendwann weiter.


Denn in der letzten Unterkunft warten noch zwei Überraschung auf uns: ein Pool und ein folklorischer Abend. Als Auserwählte darf ich mich in eine typisch albanische Hochzeitsgarderobe werfen, zur Belustigung meiner Mitreisenden. Später am Abend gibt es dann noch ein Lagerfeuer - bei reichlich Wein und Raki sitzen wir zusammen, quatschen und zählen die Sternschnuppen am albanischen Himmel.


Unser letzter Tag in den albanischen Alpen ist nochmal von Wasser geprägt: wir wandern zum kristallklaren Bergsee "Blue Eye" - und lassen uns auch hier nicht von einem Bad abhalten, bevor es über Schotterpisten und einspurige Straßen zuerst nach Shkodra und weiter nach Tirana geht.


 

Hauptstadt Tirana

Schon die Fahrt nach Tirana kommt, nach fast einer Woche Natur, einem Schock gleich: Stau und Smog lassen die Hauptstadt zunächst wenig attraktiv erscheinen. Trotzdem bin ich gespannt auf ein bisschen Kultur und auch das ein oder andere Museum.


Man sieht schon von weitem, dass sich Tirana im Wandel befindet: überall Baustellen und einige moderne Hochhäuser und Einkaufszentren, die nicht so ganz zum Rest passen: Moscheen, heruntergekommene Ecken und die typischen 60er-Jahre Kommunismusbauten. Daneben aber auch fette Autos und sogar ein paar mutige Fahrradfahrer. Vor allem das Blloku-Viertel hat es im angetan, in den vielen Hipster-Cafes und -Bars fühle ich mich ziemlich wohl und verbringe hier noch ein paar Tage im "Home Office". Im Coworking im 8. Stock genieße ich während meiner zahlreichen Meetings den Blick über Tirana und die umliegenden Berge. Auf den Hausberg Tiranas, den Dajti (1.612m) schaffe ich es leider nur mit Seilbahnunterstützung - die 5 Stunden Tour ist mir zum Feierabend dann doch ein bisschen zu viel.

 

Mein Fazit zu Albanien:

Dinge, für die es sich lohnt, nochmal nach Albanien zu reisen:

  • die herzlichen und gastfreundlichen Menschen

  • die albanischen Alpen, die im Gegensatz zu den Alpen (noch) nicht mit Hütten und Skiliften vollgebaut sind

  • die Fernwanderwege, die in den letzten Jahren entstanden sind: Peaks of the Balkans im Norden, der High Scardus im Osten

  • versteckte Strände und die Osum-Schlucht im Süden, die ich leider nicht besuchen konnte

  • mit dem Geländewagen die albanischen Alpen erkunden

  • die Kreativität der Menschen: Gibt es um Bus nur 14 Sitze, werden einfach 2 Hocker reingestellt und schon passt unsere Reisegruppen hinein.

Auch wenn ich sofort wieder nach Albanien reisen würde, gibt es ein paar Dinge, die mir negativ aufgefallen sind:

  • der Verkehr - die Albaner fahren, wie sie wollen und selbst auf einspurigen Straßen oder Schotterpisten wird kaum Rücksicht auf den Gegenverkehr genommen. Ich war froh, dass ich nicht selbst fahren musste

  • der Smog in Tirana

  • leider fast ausschließlich Einwegdosen und -flaschen in den Berghütten und auch in unseren Unterkünften, die dann teilweise hinter den Hütten lagern und hoffentlich nicht in der Natur landen

Wem mein Einblick noch nicht reicht - mehr zu den albanischen Alpen gibt es auch in einem aktuellen Spiegel-Artikel (August 2021)




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