Nomadi Digitali auf Sardinien
Aktualisiert: 21. Juni
Raus aus dem Beachvolleyball-Camp und rein ins Leben als Nomadi Digitali - unter diesem Motto stehen meine letzten 9 Tage auf Sardinien
Ich freue mich, ein Co-Living auf Sardinien gefunden zu haben und dort andere remote worker kennenzulernen. Während in Deutschland der Begriff "Workation" die Runde macht (den übrigens außerhalb Deutschland kein Mensch nutzt), ist es in Italien "Smart Working", wenn man sein Home Office eine zeitlang an einen anderen Ort verlegt. Wie auch immer man es nennen will, das Co-Living Treballu in Laconi ist für die nächsten Tage meine Heimat.
Laconi
Sowohl die Unterkunft als auch der Ort Laconi sind sehr überschaubar. Meine Mitbewohner sind Josef aus der Slowakei und Carlo, der Besitzer des Co-Livings, ein waschechter Sarde und noch dazu der gleiche Jahrgang wie ich. Das Örtchen Laconi hat etwa 1.500 Einwohner und dadurch ein Kaff. Das gute daran: ich hab bisher sehr wenig Deutsch gehört.
Nach den 2 Wochen im Beachvolleyballcamp bin ich froh, ein bisschen Ruhe zu haben und noch mehr über Sardinien zu erfahren. Carlo integriert seine Gäste vorbildlich in den dörflichen Alltag und schleppt uns (bzw. mich, da Josef leider früher als gedacht abreisen muss) zu allen möglichen Aktivitäten mit. Abends gibt es meist einen Apperitivo und entweder kommen Freunde zu Besuch, mit denen wir gemütlich im Innenhof sitzen und versacken oder wir treffen uns am Kiosko. Da hier alle ziemlich musikalisch sind, bin ich zudem schon zweimal in den Genuß eines Privatkonzerts gekommen. Hoffentlich landet das nicht auf meiner Endabrechnung. Unbezahlbar sind aber auf jeden Fall die Einblicke, die ich in das Leben der Sarden erhalte, indem ich mit den Locals hier Zeit verbringe.
The old man Square
Bei meinem ersten kurzen Spaziergang durch die Stadt auf dem Weg zum Supermarkt laufe ich an einem kleinen Cafe am Platz vorbei. Und dort sitzen ausschließlich Männer. Ein ähnliches Bild kenne ich schon aus Spanien, auch auf La Palma gab es einen Platz, an dem sich ausschließlich die männlichen Einwohner versammelt haben. Wo die Frauen sind? Vermutlich daheim bei Kindern und Küche. Vor allem abends sieht man fast nur noch die männlichen Bewohner Laconis. Auf dem Weg zu unserem Lieblings-Kiosko versammeln sich jeden Abend mindestens 20 Männer um die 70 um eine Bank herum und begrüßen mich mit einem freundlichen Ciao. Ich frage Carlo und seine Freunde, wo denn die ganzen Frauen sind, aber eine Antwort haben auch sie nicht.
Die blaue Zone
Das Leben hier ist super entspannt - kein Wunder also, dass es hier die sogenannte blaue Zone gibt. Die Einwohner Sardiniens leben viel länger als der Durchschnitt - so auch Carlos Oma, die 104 Jahre alt ist.
Forscher haben Gründe für die Langlebigkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen zusammengestellt und einige erlebe ich in meinen Tagen in Laconi live mit. So spielen zum Beispiel die Familie und die Gemeinschaft eine große Rolle im Leben auf Sardinien. Ältere leben häufig mit ihren Familien und sind auch im hohen Alter noch in das Gemeinschaftsleben eingebunden, werden also nicht wie bei uns im Altenheim weggesperrt und isoliert. Das Gläschen Wein am Tag darf natürlich auch nicht fehlen. In einem Artikel lese ich, dass die Menschen hier zudem wenig rauchen und sich viel bewegen, was ich so nicht ganz unterschreiben kann. Carlo und seine Freunde qualmen leider ziemlich viel und von meinen Wandervorschlägen sind sie auch nur so mäßig begeistert. Also mal sehen, wie alt die nächste Generation so wird.
Mehr zur blauen Zone gibt es hier zu lesen:
Sardinien, nicht Italien!
Ihre Unabängigkeit ist den Sardiniern übrigens heilig. Wenn sie gefragt werden, woher sie sind, heißt es Sardinien und nicht Italien. Allerdings sind die meisten hier auch pragmatisch, denn ohne die finanziellen Spritzen aus Rom bzw. der EU würde auf Sardinien nicht viel passieren. In vielen kleinen Orten gibt es mehr Schafe als Menschen und die Landwirtschaft spielt immer noch eine große Rolle auf Sardinien.
Ein Mädchen in Laconi versucht, das traditionelle mit dem modernen Leben zu verknüpfen und führt eine kleine Babyziege an der Leine durch den Ort. Ich kann meinen Augen erstmal nicht trauen. Hab ich vielleicht zu viel Hitze abbekommen und fange schon an, zu halluzinieren - eine Ziege an der Leine? Das kleine Zicklein kommt aber gut bei den Menschen an und wird überall mit Freude empfangen Ich weiß nur nicht, wie viel Spaß es selbst dabei hat.
Wuff wuff: Bekannt wie ein bunter Hund
Carlo ist hier übrigens ziemlich bekannt - läuft
man mit ihm durch den Ort, wird man ständig begrüßt und angesprochen. Da sich mein Italienisch in Grenzen hält, stehe ich meistens einfach nur daneben und versuche, freundlich zu schauen. Manchmal frage ich mich, was die Eineimischen wohl denken, wenn er ständig mit neuen Leuten aus seinem Co-Living ankommt. Und was sie über Digitalnomaden so denken, die einfach ihren Laptop auspacken und von überall aus arbeiten. Für Carlo ist es auf jeden Fall eine coole Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen. Es ist eigentlich ein bisschen wie reisen, nur dass er Laconi nicht verlassen muss - so fasst er es für mich zusammen. Das Haus hat er von seinem Onkel geerbt, umgebaut und aufgerüstet - scheinbar ist es hier gar nicht so einfach, gutes W-Lan zu finden. Fast wie in Deutschland also, nur mit besserem Essen.
Aktuell bricht hier schon der Hochsommer aus und es hat an die 38 Grad hier. Ich meide die Sonne und hab dafür endlich mal wieder Zeit für den Blog und ein paar andere To Dos. Ich hoffe, es kühlt zumindest ein bisschen ab, damit ich noch 1-2 Wanderungen unternehmen kann und am Montag vielleicht sogar noch eine Kajak-Tour.