Per Anhalter auf den Triglav
Aktualisiert: 21. Juni
Klettern und kraxseln auf dem höchsten Berg Sloweniens
Schon lange steht der Triglav auf meiner Gipfel-To-Do Liste. Weil der Name irgendwie cool klingt, aber natürlich auch, weil es der höchste Berg Sloweniens und der julischen Alpen ist. Der 2864 m hohe Gipfel ist das Nationalsymbol Sloweniens und findet sich auf der slowenischen Flagge und den slowenischen 50-Cent Münzen wieder. Übersetzt heißt Triglav so viel wie Dreikopf oder Dreihaupt.
Auf den Triglav gibt es mehrere Wanderungen und Klettersteige. Ich habe mich für den Aufstieg aus dem Trenta Tal westlich des Triglavs entschieden. Mit über 2.000 Höhenmetern eine sehr anspruchsvolle Tour, die ich daher auf zwei Tage aufteile und mit einer Hüttenübernachtung verbinde. Auf der Triglav-Tour begleitet mich Max, ein schwedischer Austauschstudent aus München, der auch schon lange auf den Triglav steigen möchte. Er studiert eigentlich in Göteborg, hat aber das letzte Semester in München als Erasmus-Student verbracht und verbringt jetzt ein paar Tage in Slowenien. Ich bin froh, nicht alleine auf den Triglav zu steigen und freue mich auf eine internationale Wanderbegleitung.
No Taxi in Kranjska Gora
Die Tour startet leider ziemlich chaotisch - denn der Bus, der uns von Kranjska Gora, wo ich aktuell untergebracht bin, zum Ausgangspunkt bringen soll, fährt nur am Wochenende und nicht unter der Woche. Die Alternativen: den Bus zwei Stunden später nehmen und erst sehr spät mit der Wanderung starten oder ein Taxi nehmen. Wir einigen uns aufs Taxi - das es aber leider nicht gibt. Denn scheinbar gibt es in ganz Kranjska Gora nur ein Taxi und das steht nicht zur Verfügung. Bleibt also nur noch eine letzte Möglichkeit: per Anhalter Richtung Triglav. Wir schlappen also zur Straße, die weiter ins Soca-Tal hineinführt und halten unseren Daumen hoch. Ich habe nicht viel Hoffnung, dass uns so bald jemand mitnimmt, auch wenn wir noch frisch aussehen und unsere Klamotten noch nicht stinken. Doch schon nach 5 Minuten hält ein Audi neben uns. Eine slowenische Familie aus Ljubijana nimmt uns tatsächlich mit - wir nehmen das Angebot natürlich gerne an und quetschen uns zur 10-jährigen Tochter auf die Rückbank.
Im Auto erzählt uns die Familie dann Interessantes über Slowenien und dass jeder Slowene mindestens einmal in seinem Leben auf dem Triglav stehen muss. Auch sie sind auf dem Weg zu einer mehrtätigen Wanderung - allerdings nicht auf den Triglav. Wir erfahren, dass die Straße auf der wir gerade fahren, eine alte Militärstraße ist, die ab 1915 hauptsächlich von russischen Kriegsgefangenen gebaut wurde. Sie heißt deswegen auch Russische Straße. Im heutigen Triglav-Nationalpark bzw. im Soca-Tal haben Österreich-Ungarn und Italien erbittert im ersten Weltkrieg gekämpft. Einige alte Bunkeranlagen sind noch immer sichtbar. Heute sind zum Glück nur noch Autos, verrückte Rennradler und einige Schafe, die keinen Platz machen wollen, auf der Straße unterwegs. Und ich bin mal wieder froh, in der heutigen Zeit zu leben und ohne Probleme nach Slowenien fahren zu können.
Nach einer Stunde schmeißt uns die Familie dann kurz vor Trenta raus und wir können endlich unsere Tour starten. Mein Magen hat die Fahrt hierher nicht so sehr genießen können, denn in (zu vielen) Serpentinen ging es erst nach oben auf den Vršič Pass auf 1.611 m und dann wieder nach unten ins Trenta Tal. Ich sehe mich schon kurz in den Busch kotzen und die Tour nach 20 Metern beenden, dann geht es aber doch wieder. Ich bin froh, dass der Weg erstmal im Schatten ist und nicht so steil nach oben geht - Zeit für mich, nochmal durchzuatmen.
Partyhütten in Slowenien
Nach ca. 2 1/2 Stunden erreichen wir die Hütte Koca na Dolicu (Trienter Hütte), an der es erstmal eine ausgiebige Pause gibt. Danach geht es weiter über eine tolle Karst-Landschaft, in der nichts wächst. Mich erinnert das Gebiet ein bisschen an das Steinerne Meer in den Berchtesgadener Alpen.
Schon hier ist ziemlich viel los und wir ahnen, dass wir auf dem Gipfel nicht die einzigen sein werden. Über einen Klettersteig geht es auf den Male Triglav - den kleinen Triglav.
Da es schon recht spät geworden ist, entscheiden wir uns aber, erstmal zur Hütte abzusteigen und uns den richtigen Gipfel für den nächsten Tag aufzuheben. Von 2.700 Metern geht nochmal luftig zur Partyhütte Triglavski dom na Kredarici auf 2.500 Meter runter.
Schon von oben hören wir laute Musik und slowenisches Gegröle. Unten angekommen erwartet uns dann tatsächlich eine sehr ausgelassene Stimmung - es wird ein slowenischer Song nach dem anderen angestimmt und das Bier fließt fast wie auf dem Oktoberfest. Wir kommen gerade pünktlich zum Abendessen und hören den Slowenen gerne zu. Wie viele von den Feiernden wohl am nächsten Tag noch auf den Triglav steigen wollen?
Ein bisschen Bedenken habe ich schon, auf den Triglav zu gehen. Der Abstieg vom kleinen Triglav zur Hütte hat mich mehr gefordert als gedacht und mit solchen Menschenmassen da hochzuklettern stelle ich mir nicht so angenehm vor. Die Bedenken lösen sich über Nacht aber auf und wir starten gegen 8 mit dem nächsten Gipfelversuch. Die ersten Tritte sind noch ein wenig unsicher, aber schon bald gewinne ich an Sicherheit.
Wenn ich mir so anschaue, wer hier noch so unterwegs ist - Kinder, bierbäuchige Männer, Leute mit Sneakern - sollte ich mir eigentlich keine Sorgen machen. Respekt habe ich bei solchen Touren eher vor dem Abstieg, denn hoch kommen sie alle. Wir lassen es gemütlich angehen und klettern langsam nach oben. Häufige Pausen muss man eh machen, da man dauernd jemand vorbeilassen muss, der entweder schneller oder schon wieder auf dem Absteig ist.
Triglav Gipfelparty
Oben angekommen bin ich einfach nur glücklich: wir haben es wirklich geschafft und stehen auf dem Triglav. Natürlich nicht alleine, aber ich freue mich einfach mit allen anderen Wanderern, die heute auf dem Triglav stehen. Meine anspruchsvollste Tour seit 2 Jahren und endlich mal wieder ein Klettersteig. Am Gipfelturm erfahren wir von einer witzigen Tradition: Wer das erste Mal auf dem Triglav steht, darf am Turm von jemandem ausgepeitscht werden, der schon mal oben war. Wer kommt also das nächste Mal mit?
Nach einigen obligatorischen Gipfelbildern geht es an den Abstieg, der nochmal sehr fordernd ist. So schön der Blick oben war - so froh bin ich, als wir den Klettersteig hinter uns lassen und auf dem normalen Wanderweg wieder etwas mehr Boden unter den Füßen haben. Für mich sind Klettersteige doch immer wieder eine Herausforderung. Ich mag es, an meine Grenzen zu gehen und meine Komfortzone zu verlassen. Und trotzdem kann ich die erfolgreiche Gipfelbesteigung erst jetzt so richtig feiern.
Beim restlichen Abstieg schwitzen wir nochmal so richtig, da wir jetzt in der prallen Sonne laufen. Als ich eine schöne Badestelle entdecke, hält mich daher nichts mehr und ich springe in den kalten Gebirgsbach. Max ist erst noch ein bisschen skeptisch, folgt mir dann aber doch. Alles andere hätte mich auch erstaunt - ein echter Skandinavier kennt doch keine Schmerzen, dachte ich zumindest. Wir können uns kaum losreisen von der Idylle am Bach - doch leider müssen wir weiter zum Bus, der uns zurück nach Kranjska Gora bringen soll. Fast verpassen wir ihn - ein Schlusssprint und 20 Minuten Verspätung sichern uns dann aber doch noch eine Rückfahrt.
Fazit
Den Triglav kann ich also endlich abhaken auf meiner Liste - und damit nach der Zugspitze mein zweiter der 7 Summits of the Alps. Für mich auf jeden Fall anspruchsvoll, ich bin schon ein bisschen stolz auf mich, es geschafft zu haben.