Santiago de Chile
Aktualisiert: 23. Juni
4 heiße Tage hab ich in Chiles Hauptstadt verbracht. Nach den eher ruhigen Wochen auf La Palma habe ich den Trubel der Großstadt - 6,5 Millionen Menschen leben hier, fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung Chiles - ziemlich genossen. Einreise und Ankunft haben ohne Probleme funktioniert. Dank meiner e-sim hatte ich direkt nach der Landung im Flieger mobile Daten. Reisen ist so einfach geworden, aber fast auch ein bisschen langweilig.
In meinem Airbnb im sehr grünen Stadtteil Providencia begrüßt mich Magdalena, die mir ihre gemütliche Wohnung zeigt, in der ich viel Zeit verbringen werde. Wegen der Hitze, aber auch weil sie einfach so schön eingerichtet ist und ich dort wunderbar meine weitere Reise planen kann.
Wo bin ich eigentlich - Berlin, Tirana oder doch Santiago?
Da ich den Jetlag noch in den Knochen spüre, lasse ich es die ersten Tage ruhig angehen. Bei meinem ersten Spaziergang durch das Viertel bin ich überrascht, wie europäisch die Stadt ist. Und bin kurz verwirrt, ob ich wirklich in Chile oder doch irgendwo in Europa gelandet bin. Für mich ist die Stadt eine Mischung aus (Ost-) Berlin und Tirana - sehr grün, viele Neubauten aber auch sehr verhauene Ecken. Hipster gibt es auch hier wie Sand am Meer und die unterscheiden sich kaum von denen in Berlin. Was mir positiv auffällt, sind die vielen queeren Menschen hier, viele schwule Pärchen die selbstverständlich Hand in Hand durch die Stadt spazieren.
Eine kleine Wanderung wage ich dann trotz der Hitze: auf den Aussichtspunkt Cerro San Christobal. Da dort auch eine Seilbahn und eine Straße hochführt, bin ich auch an einem Freitagvormittag nicht alleine. Mit mir ist eine Horde Rennradler unterwegs. Mit ihren feinsten Carbonräder, farbenfrohen Trikots und überdimensionierten Sonnenbrillen könnten sie locker auch im Alpenvorland unterwegs sein. Was mir auch hier positiv auffällt: es gibt eine Helmpflicht in Chile, was hier auf jeden Fall empfehlenswert ist. Denn nicht jeder freut sich über die Radler und vor allem die Busfahrer hupen sie gerne mal von ihrer Spur oder überholen sie in abenteuerlichen Manövern.
Die öffentlichen Verkehrsmittel teste ich natürlich auch. Die Metro ist pünktlich und sauber und musizieren ist verboten. Die Busse sind abenteuerlich und einmal muss ich aus Versehen schwarz fahren, da ich nicht mehr ausreichend Geld auf meiner Fahrtkarte habe. Dann muss man über das Drehkreuz springen, das in jedem Bus angebracht ist, was aber keinen interessiert.
Hitzekessel Santiago
An meinem letzten Tag in Santiago de Chile hat es mindestens 35 Grad, was sich in der Stadt und mit dem Smog aber deutlich wärmer anfühlt. Daher kommen eigentlich nur Aktivitäten in Frage, die irgendwie drinnen stattfinden. Den Tag starte ich daher mit ein bisschen Vintage-Shopping, das einfach in jeder Großstadt sein muss. In der Straße Bandera, fast direkt neben dem Plaza de Armas, reiht sich ein Secondhandladen an den nächsten - was für ein Paradies. Und sogar klimatisiert. Die Auswahl kann locker mit Berlin mithalten, ich wundere mich nur, wo die ganzen Klamotten herkommen. Vermutlich aus den USA oder Europa.
Da hier fast alle Läden in der Innenstadt um 14:00 schließen, hab ich mir für den Nachmittag ein (klimatisiertes) Museum vorgenommen. Im „Museo de la Memoria y los Derechos Humanos“ geht es um die Aufarbeitung der Militärdiktatur unter Pinochet. Zahlreiche Bilder, Filme und Unterlagen zeugen von der schrecklichen Zeit, in der es normal war, dass Menschen verschwinden, ins Gefängnis gesteckt und gefoltert oder gezwungen wurden, im Exil zu leben. Das meiste ist auf Spanisch, teilweise gibt es englische Übersetzungen aber zum Großteil reichen die Bilder aus. Zum Glück herrschen heute andere Zeiten. Der junge, gemäßigt linke Präsident Gabriel Boric ist nur 2 Jahre älter als ich und wurde Ende 2021 zum Präsidenten gewählt, nachdem er Anführer der Studentenbewegung war. Magdalena, meine Mitbewohnerin ist begeistert von ihm und seiner Partei, da er viele Änderungen anstoßen und die Demokratie stärken will und alle Volksgruppen in Chile anspricht. Auch viele Ministerinnen & Minister der neuen Regierung sind ziemlich jung (Anfang oder Mitte dreißig) - bin gespannt, wo es mit einem Land so hingeht, das nicht von Opis regiert wird.
Mehr Informationen sind hier gut zusammengefasst:
Nach dem Museum begehe ich noch eine kleine Sünde: aus Mangel ab klimatisierten Alternativen fahre ich in die Mall Costanera. Dort ist es angenehm kühl, aber auch voll. Die jungen Chilenen gehen meinem ehemaligen Lieblingshobby nach: shoppen gehen am Samstag. Und ich nutze die Chance, um mein Touristen-Outfit endlich komplett zu machen: Fischerhut & Bauchtasche. Beides immerhin von chilenischen Labels und die Bauchtasche ist sogar Secondhand aus alten Jacken hergestellt - dafür aber doppelt so teuer wie eine neue. Verkehrte Welt.
Fazit Santiago de Chile
Mein erster Eindruck von Chile: mehr als positiv. Die Leute sind supernett, selbst die Bettler sagen entweder ein Gedicht auf oder erklären dir, dass sie das Geld für ihren Entzug benötigen. Und selbst mit meinem Spanisch komme ich bisher einigermaßen gut zurecht, zumindest wenn langsam gesprochen wird. Nach 4 Tagen Großstadt freut sich meine Lunge aber ziemlich auf Patagonien. Mein nächster Stop, nach einer 10-stündigen Busfahrt ist Pucón am Lago Villarica. Dort sehe ich hoffentlich ein bisschen mehr von den Anden, die sich bisher leider nur schemenhaft hinter dem Smog gezeigt haben.